GEMEINSAM ETWAS BEWEGEN!

 
 
 
 
Erinnerungen eines Aufbauhelfers
 
Schriftliche Erinnerungen von Dipl.–Bau–Ing. Werner Schönherr (Marienberg)
geschrieben am 14.06.2011:
 
 
Bau des Freibades Marienberg – Mooshaide in den Jahren 1959 – 1963
 
Nachdem nun über 50 Jahre vergangen sind, wollte ich meine Erinnerungen an diesem NAW – Bau nachvollziehen und geistig abfragen, welche Probleme beim Bau entstanden sind.
 
 
Wie kam es zum Bau des Freibades ?
 
Nachdem das ehemalige Freibad am Standort gegenüber der Tankstelle an der Wolkensteiner Straße in Marienberg wegen Verunreinigungen nach dem 2. Weltkrieg geschlossen wurde (Pferde gewaschen, nicht mehr überwacht), kam der Wunsch auf, im NAW eine neues Freibad zu errichten.
Die Stadtverwaltung, mit ihrem damaligen Bürgermeister, Herrn Carl Schönherr, war bemüht, diesem Wunsch nachzukommen.
 
Nach Vorstellungen des bei der Stadt angestellten Herrn Schattka sollte das Bad als Volksbad mit losen nicht vermauerten Bruchsteinen errichtet werden. Als Standort war das Gelände der Flachsröstenteiche vorgesehen. Zum Glück wurde das Volksbad von dem Bürgermeister und Herrn Tinney als Stellvertreter des Bürgermeisters verworfen. Sie wollten ein sauberes wettkampffähiges Freibad. Bei dem Volksbad wäre eine Verunreinigung mit Blutegel und sonstigem Getier im Mauerwerk entstanden.
 
Mit einem Honorarvertrag wurde Herr Architekt Adamzek beauftragt, Zeichnungen anzufertigen. Außerdem erhielt Herr Schneider, damaliger Leiter der Investbauleitung des Kreises, den Auftrag, die statische Berechnung der Stützmauer vorzunehmen.
 
Nach Prüfung durch die Staatliche Bauaufsicht stellte sich heraus, dass falsche Annahmen getroffen wurden, und damit die Berechnung falsch war. Ob dafür geldliche Zuwendungen erfolgten, ist mir nicht bekannt. Bekannt ist mir aber, dass beim Architekt ein Honorar von 5.000,00 Mark der DDR im Gespräch waren. Der Architekt hatte sich wenig mit dem Gesamtobjekt beschäftigt und überwiegend eine Skizze einer Umkleidekabine am Waldeshang mit viel skizzierten Bäumen erstellt.
 
Dieses Dilemma veranlasste die Bauaufsicht, der Stadtverwaltung den Rat zu erteilen, die weitere Bearbeitung an Ingenieuren des Baubetriebes des VEB Bau (K) Marienberg zu geben.
 
Dazu waren die Mitglieder der Kammer der Technik (KdT) bereit.
Mit den Plänen und statischen Berechnungen beauftragte die KdT Bau.-Ing. Werner Schönherr, mit den Materialermittlungen, Baukontrollen und Kosten die Herren Baumeister Johannes Gläser und Bautechniker Willy Landgraf.
Über diese freiwillige Mitarbeit wurde in der „Freien Presse“ ganzseitig berichtet. Geldzuwendungen erfolgten nicht, bis auf eine Aktivistenauszeichnung an Herrn Schönherr.
 
Nachdem die Entwürfe und Pläne, statische Berechnungen

  • der beiden Sprungtürme
  • der Beckengröße
  • der Umkleidekabinen
  • des Sanitärhäuschens und des
  • Schleusensystems sowie Vermessungsarbeiten
von den Verantwortlichen der Stadt und von der Staatlichen Bauaufsicht bestätigt wurden, konnte mit der Realisierung begonnen werden. Zuerst mit dem Schwimmbecken.
 
Die Hauptinitiatoren von der Stadt waren:
  • Herr Carl Schönherr, Bürgermeister
  • Herr Alfred Tinney, stellv. Bürgermeister
  • Herr Markus Hesse, Straßenwesen
  • Herr Jehmlich, Finanzen und
  • der spätere Bademeister, Herr Jochen Hunger
Die gesamte Materialversorgung hatte die Stadt übernommen.
 
Meine Originalzeichnungen habe ich im Oktober 2010 zur Archivierung an Frau Möckel, Sekretärin des Bürgermeisters, an die Stadt gegeben.
 
 
Realisierung der Baumaßnahme
 
An der Bauausführung beteiligten sich viele freiwillige Helfer. Alle Arbeiten wurden nach Feierabend, an Samstagen und auch sonntags durchgeführt. Damals musste noch am Samstag gearbeitet werden.
 
Die Aufbauhelfer haben durch ihre Arbeit einen damaligen Wert von 450.000,00 Mark mit 288.000 Std. geschaffen. Heutiger Schätzwert ca. 3,5 bis 4,0 Mio. Euro.
 
Die freiwilligen Aufbauhelfer erhielten ein NAW – Heft, in welches die geleisteten Stunden als Marken eingeklebt wurden.
  • Die Aufbaunadel in Bronze für 125 Stunden,
  • Die Aufbaunadel in Silber für 300 Stunden,
  • Die Aufbaunadel in Gold für 500 Stunden.
Nachdem der Standort Mooshaide (ehemalige Flachsteiche) ausgewählt war und die Baupläne für ein wettkampfgerechtes Freibad vorlagen, begann man mit einer Grobabsteckung.
 
Die ersten Erdmassen des verschlammten Teiches bewegte die Planierraupe des VEB (K) Bau Marienberg mit dem Fahrer, Herrn Hardy Ullmann, aus Reitzenhain. Es war eine schwere Arbeit, bei der man manchmal glaubte, die Raupe würde mit dem Fahrer umkippen und versinken. Danach kamen Pumpen zum Einsatz, die in offener Wasserhaltung das Wasser vom Boden abpumpten. Hierbei haben sich Herr Markus Hesse und Herr Tinney von der Stadtverwaltung bei der Kontrolle tags- und nachtsüber abgewechselt.
Die Wasserhaltung wurde auch beim Aushub der Stützmauerfundamente sehr lange Zeit beibehalten. Sie war auch notwendig, damit das ausgehobene Fundament trocken blieb.
 
Die einzelnen Abschnitte der Stützmauer sind an den senkrechten Fugen mit PVC-Mietsch-Fugenband verbunden worden, so dass die einzelnen Fundamente Bewegung hatten und kein Wasser in die Fugen aus dem Bad entweichen konnte. Die Beschaffung dieses Bandes (ca. 80 m) war sehr schwierig. Gleiches betraf auch Zement, Bewehrungsstahl, Profilstahl, Kies, Mauerziegel usw...
 
Für die Materialbeschaffung war es ein Glücksfall, dass im Kreis Marienberg Lieferbetriebe von Holznagelbinder, von Fenster, von Rüst- und Schaltafeln aus Brettstücken und Steinbrüche vorhanden waren. Auch bäuerliche Handelsgenossenschaften gaben Kleinmengen an die Bevölkerung ab. Die Schlacken – Hohlblocksteine bezog man aus Olbernhau, Steinzeugrohre über den örtlichen Bauhof. Später konnte man von den aufgebauten Großmischanlagen der großen kreislichen Bauvorhaben Fertigbeton in guter Qualität beziehen.
 
Für NAW – Objekte stellte der Staat kaum Material zur Verfügung. Alles sollte mit örtlichen Reserven gebaut werden.
 
Portlandzement und Hochofenzement standen für Betonagearbeiten der Stützmauer nicht zur Verfügung. Auch an klassifizierten Sanden und Kiesen kam man nicht heran.
 
Gipsschlackenzement konnte aber beschafft werden. Deshalb wurde dieser tonnenweise über Winter in die Hallen des Obst- und Gemüsehandels am Standort der ehemaligen Schamottefabrik eingelagert. Innerhalb 1 Jahres musste dieser Gipsschlackenzement aber verarbeitet sein.
Nach langer Lagerung ist dieser nur mittels einer Prozentzugabe von Kalk wieder verwendungsfähig und kann zum Abbinden angeregt werden. Der Stadtverwaltung blieb nichts anderes übrig als dieses Wagnis der Erhärtung einzugehen Nach Proben fand man den richtigen Prozentsatz der Kalkzugabe. Nachteil dieses Zementes ist es aber, dass die Oberfläche bis zu einer Tiefe von max. 2 cm nicht richtig fest wird, so dass der Beton absandet. Dies geschieht durch das Aufsaugen des Wassers der Holz – Schaltafeln. Ein nachträgliches Verputzen der senkrechten Wände war deshalb notwendig.
 
Der Standfestigkeit der Schwerbeton – Stützmauern tut das keinen Abbruch. Mittels Gipsschlackenzement wird der Beton unheimlich fest, dass kann man an dem blauen Gemenge nachweisen. Um etwas Zement und Zuschlagstoffe sparen zu können, wurden auch Granitsteine aus dem Bodener und Kermer Steinbruch in die Fundamente mit eingebaut.
 
Aufbauhelfer waren Berufsschüler und Lehrlinge, die FFW der Stadt, Verwaltungsangestellte, NVA – Soldaten, Arbeiter des Bauhofes der Stadt, alle Handwerksgruppen, Einwohner der Stadt und Umgebung usw. Die Verpflegung mit Bockwurst, Brötchen, Getränken usw. hat gut geklappt. Den Lehrlingen des Baubetriebes wurden sogar sonnabends am NAW – Objekt sitzend auf einem Kalkkasten die Haare von unserem Tiefbaubrigadier, Herr Kurt Oehme, geschnitten. Damit konnten diese zum Tanz gehen!
 
Die beiden Sprungtürme fertigte die Schlosserfirma Wagler, Marienberg, Obere Bahnhofstraße. Schlossermeister, Herr Max Roßberg, arbeitete mit seinen Gesellen ebenfalls ehrenamtlich an diesen Türmen.
Die Bleche sind mit den Profilstählen wasserdicht verschweißt!
Eine Kontrolle der Dichtheit (Hohlkörper) wurde vor ca. 8 Jahren vom ehemaligen Bademeister, Herrn Hunger, bzw. in dessen Beisein durchgeführt. Die Kontrolle bestätigte die Dichtheit der Stahlkonstruktion nach über 40 Jahren. (Aussage Herr Hunger mir gegenüber – kein Wasser im Inneren!)
 
Auch die Schulkinder höherer Klassen kamen nach Schulende, um beim Badneubau mitzuhelfen. Viele Anstrich- und kleinere Malerarbeiten haben sie ausgeführt.
 
Großer körperlicher Einsatz war bei dem Felsaushub der Sprunggrube erforderlich. Gerade an dieser Stelle fanden wir einen Fels mit harter Struktur vor. Deshalb ist die Grube auch nicht mit einem Ablass versehen wurden. Die FFW der Stadt, die überwiegend diesem Fels zu Leibe ging, pumpte jeweils das Wasser aus der Grube.
 
Die Wasserqualität ist nie beanstandet worden, da aus meinen Kenntnissen heraus, das Wasser aus dem Trinkwasserbehälter (daneben im Wald) verwendet wurde. Auch Erkrankungen, Durchfall, Kolibakterien usw. sind mir nicht bekannt aus dieser Zeit. Über Trinkwasserentnahme aus dem örtlichem Netz zur Beckenfüllung und zum Wasseraustausch könnte Herr Gert Schreiter, ehemaliger Bademeister nach der Wende, befragt werden.
 
1963, zum Weihezeitpunkt, war wegen Materialmangel der Beckenfußboden noch nicht mit Terrazzoplatten ausgelegt. Die Verlegung im Sandbett erfolgte erst in den darauf folgenden Jahren. Da der Beckenfußboden lehmige Anteile enthielt und auch kleinere Wasserquellen aufwies, die auch heute noch vorhanden sind, fand eine Abdichtung auch aus Kostengründen nicht statt. Das Becken hatte aber über fast 50 Jahre keine Wasserverluste.
 
Leider kam es kurz vor Fertigstellung (etwa 14 Tage vor Baderöffnung – das Becken war 2/3 erst mit Wasser gefüllt) zu einem tragischen Unfall. Da die Kinder die Badfreigabe zum Baden nicht erwarten konnten, ist ein Kind des Schuhmachermeisters Wittig darin ertrunken. Es konnte nur noch tot von Herrn Kannegießer (ehemaliger Taucher bei der Marine) aus der Sprunggrube geborgen werden.
 
Trotz dieses tragischen Ereignisses erwartete die Bevölkerung die baldige Einweihung und Öffnung des Bades.
 
Am Vorabend des 07.07.1963 wurden die „Goldenen“ Aufbauhelfer in einem feierlichen Festakt in der Aula der Martin–Andersen-Nexö-Schule geehrt:
  • Herr Willy Landgraf, Bautechniker
  • Herr Tischlermeeiter Straßberger
  • Herr Schlossermeister Max Roßberg
  • Herr Augustin Elt./Ton
  • Herr Bau.-Ing. Werner Schönherr
 
 
Einweihung
 
Am 07.07.1963 konnte das Bad feierlich übergeben werden.
Ca. 6.000 Besucher waren dazu gekommen. Es war ein herrlicher Sonnentag mit vielen prominenten Gästen.
 
Zur Sprungturmweihe und zu Schwimmvorführungen konnte Herr Jehmlich von der Stadtverwaltung unsere 3-fache Olympia-Siegerin, Ingrid Engel–Krämer (später Gulbin) mit Familie und weitere Sportlerinnen und Synchronschwimmerinnen aus Dresden begrüßen. Ein paar Fotos von diesem Tag belegen dieses freudige Ereignis für alle Marienberger und umliegenden Gemeinden.
 
Infolge eines 2½ jährigen überbezirklichen Einsatzes beim Bau des Chemiefaserkombinates Guben konnte ich die Bautätigkeit 1963/64 nur an Wochenenden verfolgen.
 
Im Nachhinein war die unentgeltliche freiwillige Mitarbeit an diesem Objekt für einen Jungingenieur ein sinnvoller Abschnitt in meinem Leben. Leider hatte ich in diesen Jahren keine Zeit für meine Familie. Wanderungen und Unterstützung waren tabu. Für das Verständnis meiner Frau und Tochter zu dieser Arbeit möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Etwas Gutes für die Familie hatte mein Einsatz doch! Tochter und Sohn haben in diesem Freibad das perfekte Schwimmen gelernt.
 
 
Schlussbemerkungen
 
Eine Generalsanierung, außer Anstricharbeiten, für die Gebäude, der Schleusen, für Bad usw fand über die Zeitspanne von über 45 Jahren nicht statt. Da wundert es nicht, wenn insbesondere die Schächte und Schleusen marode sind. Für die Schleusen und Rohrleitungen mussten damals alle greifbaren Rohre verwendet werden.

Dieses Versäumnis der Verantwortlichen der Stadt, auch bereits vor der politischen Wende, erregt zu Recht die Mitglieder der Bürgerinitiative, die sich für den Erhalt des Freibades einsetzen.

Leider ist die Schließung des Freibades Mooshaide von der Stadt beschlossen. Badewillige sollen auf das kostenintensive Freizeitbad Aqua-Marien und dem mit Millionenaufwand sanierten Rätzteich in Gelobtland ausweichen, bei hohem Arbeitslosenstand in der Region.

Mit der Schließung des Bades durch die Stadt wird der ehrenamtliche Einsatz der Bevölkerung nicht mehr anerkannt und die ehemaligen Helfer gedemütigt.

Man sollte doch besser die Abbruchkosten für eine etappenweise Sanierung des Bades verwenden.

Ich hoffe, dass die Bürgerinitiative sich stärkt und den aufreibenden Dialog mit der Stadt gewinnt und den Oberbürgermeister und die Räte umstimmen kann.
 
 
Dipl.- Bauing. Werner Schönherr
Marienberg
ehemaliger Aufbauhelfer
 
Marienberg, den 14.06.2011
 
 
 
 
  
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 letzte Aktualisierung: 22.06.2011